Wie die meisten Gräser, die wir auf Wiesen und an Wegrändern finden, gehört das Gewöhnliche Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) zur Familie der Süßgräser (Poaceae).
Mit einer Wuchshöhe von meist nur 15 bis 30, selten bis 50 Zentimetern, ist es eine recht niedrige Grasart, die wir vor allem auf kalkarmen Böden in trockeneren, mageren Wiesen und lichten Wäldern sowie auf Weiderasen entdecken können. In stark gedüngten Wiesen kommt es mit den hohen Nährstoffgehalten nicht zurecht und kann sich gegenüber höherwüchsigen Gräsern nicht behaupten.
Durch unterirdische Ausläufer bildet das mehrjährige Gras großflächigere Bestände.
Das unscheinbare Gras ist wie alle Grasarten windblütig und blüht schon ab Mitte März in einer 2-4 cm lange Ährenrispe mit zahlreichen, dicht gedrängten Blüten an der Spitze des Halmes.
Die schmalen Blätter des Ruchgrases sind ober- und unterseits nahezu ident Graugrün und matt. Je nach Höhenlage kann das Gewöhnliche Ruchgras bis Juni blühen. Haben wir es zu sammeln verpasst, so können wir im Hochsommer auf das Alpenruchgras (Anthoxanthum alpinum) zurückgreifen, das ebenso intensiv duftet.
Aufgrund des schlechten Ertrages und seines geringen Futterwertes wird das Gewöhnliche Ruchgras in der Landwirtschaft nicht immer geschätzt, ist aber durchaus in regionalen Saatgutmischen zur Anlage von Biodiversitätsflächen enthalten. Auch das Weidevieh ist vom Ruchgras aufgrund des bitteren Geschmacks nicht besonders begeistert. Dennoch birgt das kleine Gras viele Geheimnisse.
Das Gewöhnliche Ruchgras nützen
Das Gewöhnliche Ruchgras enthält Cumarine, weshalb alle Pflanzenteile intensiv nach Heu, Honig und manchmal sogar nach Vanille duften. Kein Wunder also, dass das kleine Süßgras schon immer gerne zum Aromatisieren von Speisen und Getränken verwendet wurde. Selbst so mancher Haubenkoch schätzt seinen Duft. Cumarine entfalten ihren Duft vor allem durch das Anwelken einer Pflanze, weshalb das getrocknete Gras noch intensiver duftet als frisch.
Das Gewöhnliche Ruchgras eignet sich zum Aromatisieren von Limonaden, Bowle, Weinen und süßen Gelees. Auch Schlagobers oder Milch nehmen durch das Einlegen von Ruchgras dessen feinen Duft an und können zu ganz besonderen Desserts verarbeitet werden. Traditionell wurden auf Almen frische Käselaibe zum Reifen in Heubüschel gelegt, die Ruchgras enthielten. Diese verleihen dem Käse einen besonderen Duft. Auch Kartoffeln und selbst fettes Fleisch aromatisierte man mit Ruchgras.
Seit alters her wird das getrocknete Ruchgras aufgrund des angenehmen Heugeruchs gerne als Füllung für Kräuterkissen gegeben. In Säckchen eingenäht hält es Kleidermotten aus dem Kleiderschrank fern. Der getrocknete Wurzelstock wurde früher zu Pulver verarbeitet und als Zusatz für Schnupftabak verwendet. Auch Kräuterzigaretten und Parfums fügte man Ruchgras bei. Aufgrund der guten Biegsamkeit des Grases wird es auch gerne zum Korbflechten genutzt.
Eine besonders interessante Form der Nutzung des kleinen Duftgrases ist das Flechten von Zöpfen als Wetteranzeiger:
In bäuerlichen Haushalten flocht man früher Zöpfe aus frischem Ruchgras und hängte sie im Haus auf. Nahte ein Wetterumschwung, begannen die Zöpfe zu duften. Grund dafür ist, dass durch die höhere Luftfeuchtigkeit, die den Regen ankündigt, mehr Cumarin freigesetzt wird. Ebensolche Zöpfe wurden nicht nur bei uns, sondern selbst im nördlichen Norwegen von den dort ansässigen Samen aus Ruchgras und anderen Duftgräsern geflochten.
Unsere Vorfahren verwendeten das Ruchgras gerne für rituelle Handlungen wie für Räucherrituale. Eine Räucherung mit Ruchgras duftet herrlich und wirkt entspannend, beruhigend, versöhnlich und verbindend. Man sagt ihm auch eine lust- und fruchtbarkeitssteigernde Wirkung nach.
Auch Tee kann aus dem Gras zubereitet werden, der aufgrund seiner entspannenden Wirkung bei Stress hilfreich sein kann. In diesem Zusammenhang ist immer zu bedenken: Cumarine wirken blutverdünnend. Daher im Zusammenhang mit blutverdünnenden Mitteln achtgeben!
Hier findet ihr interessante Literatur zum Gewöhnlichen Ruchgras:
– Machatschek, Michael: Nahrhafte Landschaft 4. Von Ferkelkräutern, Wiesenknopf, Ziegenmilch, Ruchgras, Rasch, Birnmehl, Kraterellen und anderen wildwachsenden Nutzpflanzen. Wien: Böhlau, 2017.
– Alm, Torbjörn: Scented Grasses in Norway – identity and uses. In: Journal of Ethnobiology and Ethnomedicine (2015). DOI: 10.1186/s13002-015-0070-y